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Geiko - Üben

Geiko ist der Begriff für Üben im Budo. Was ist das besondere an diesem Begriff. In jeder normalen Sportart wird schließlich geübt, das heißt trainiert. Ziel des Trainings ist die körperliche Leistung und beschränkt sich daher ausschließlich auf die äußerlich erkennbare Form. Dies ist mit Geiko jedoch nicht gemeint, auch wenn sich Üben im Budosinne äußerlich nicht so sehr von anderen Sportarten unterscheidet. Die Elemente der ständigen Wiederholung wie wir sie aus dem Budo kennen, sind schließlich Bestandteil jeder Art von Training.

Ein wesentliches Kennzeichen von Geiko ist zum Beispiel das Üben mit permanenter Selbstbeobachtung und Selbstkontrolle. Auch so etwas kennen wir aus anderen Sportarten, es nennt sich hier mentales Training. Im mentalen Training geht es darum Zusammenhänge zu visualisieren, Bewegungsabläufe z. B. im Kopf vorwegzunehmen, und zu analysieren. Dies geschieht aber oftmals im Rahmen einer separaten Trainingseinheit. Wörtlich übersetzt heißt Geiko auch Nachdenken. Hieraus wird deutlich, dass jegliches Üben untrennbar mit größtmöglicher Aufmerksamkeit verbunden ist. Diese Aufmerksamkeit ist auch weniger auf die rationale Analyse der Einzelbewegungen ausgerichtet. Die physikalischen Grundgesetze der Statik und Dynamik helfen zwar, die Effizienz von Techniken rational zu begründen, richtiges Üben lässt einen diese Effizienz aber auch erfahren. So wie das Ergebnis von Nachdenken oftmals ein Verstehen ist, bewirkt richtiges Üben das Begreifen der Zusammenhänge. Dies hat weniger mit Logik als vielmehr mit Intuition zu tun. Außerdem steht die Perfektion der Technik nicht so sehr im Vordergrund. Geiko wirkt über reines zielgerichtetes Techniktraining hinaus. Das Üben der Technik (Waza) ist nur ein Element des Geiko. Die anderen wichtigen Elemente sind Shin (Geist) und Ki (Energie). Waza hilft uns, uns unserer Grenzen bewusst zu werden. Oft gehen wir im Training bis an die Grenze unserer körperlichen Leistungsfähigkeit, bzw. das was wir dafür halten. Wir lernen diese Grenzen zu respektieren, wir lernen aber auch, dass sie sich verändern können. Dies geschieht weniger durch unseren brennenden Ehrgeiz diese Einschränkungen zu überwinden, vielmehr durch geduldiges Üben. Irgendwann verschiebt sich die Grenze dann fast wie von selbst.

Es ist aber nicht nur die Grenze unserer eigenen körperlichen Leistungsfähigkeit, die wir im Dojo ausloten. Dies ist nur ein Beispiel, an dem anschaulich gemacht werden kann, worum es eigentlich geht. Die wirklich entscheidenden Grenzen im Dojo sind die Grenzen zu unseren Lehrern, Trainingspartnern oder Schülern. Hier ist respektvollster Umgang gefordert. Und Grenzüberschreitungen sind hier auch sehr viel schwerwiegender als wenn wir uns schlicht und einfach überanstrengen. Hier werden zwischenmenschliche Grenzen verletzt, und die heilen nur sehr schwer wieder von alleine. Die Übung im Dojo wird daher im Laufe der Zeit mehr und mehr zu einer Übung des zwischenmenschlichen Umgangs und die Übung des gegenseitigen Respekts. Dies ist die sog. Charakterschulung in den Budo-Sportarten. Die Technik dient sozusagen als Übungsgerät. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass in leider viel zu vielen sog. Dojos gegen das Prinzip des Geiko verstoßen wird, wenn schwächere Schüler verspottet werden, wenn Techniken weit jenseits der Schmerzgrenze vorgeführt werden, oder auch wenn Übungen verlangt werden, die auf Dauer die Gesundheit ruinieren.

Es ist jetzt nur ein kleiner gedanklicher Schritt über die Grenzen des Dojos hinaus. Geiko hört nämlich nicht an der Dojotür auf. Die Toleranz innerhalb des Dojos sollte auch darüber hinaus wirken. Auch hier sollten sowohl die eigenen Grenzen als auch die der anderen respektiert und gegebenenfalls behauptet werden. Es geht darum, sich selbst im Rahmen der eigenen Möglichkeiten zu orientieren. Dieser Rahmen besteht aber nicht nur aus den relativen Beziehungen zu unseren Mitmenschen, er ist ausgedehnt auf unsere gesamte Umgebung. Hier müssen wir die Grenzen respektieren, die die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen und der Respekt vor anderen Lebensformen der freizügigen Entfaltung unserer Technik entgegensetzen. Dies ist eine andere Art Selbstverwirklichung als die rücksichtslose Verfolgung der eigenen egoistischen Ziele.

Die letzten beiden Bereiche werden im Geiko unter dem Üben der Elemente Shin und Ki verstanden. Die Vorstellung von Ki ist relativ einfach zu verstehen wenn man weiß dass nach asiatischer Vorstellung der gesamte Kosmos von Ki, das heißt Lebensenergie, durchdrungen ist. Ki ist z. B. in der (Atem-)Luft, oder im (Trink-)Wasser aber auch in allen Lebensmitteln. Missachtung des Ki führt zwangsläufig zu einer Schwächung der Lebensenergie. Ki begreifen, Ki spüren ist jedoch Ergebnis langwierigen Übens. Shin ist der Geist, der ständig bemüht ist zu wachsen und sich um ein intuitives Verstehen der inneren Zusammenhänge bemüht.

Geiko ist nicht ohne die Anleitung eines Lehrers möglich. Ein Lehrer ist sehr wichtig, weil die Elemente des Geiko nicht aus Büchern gelernt werden können. Sie müssen vielmehr gespürt werden und das ist eben nur unter Anleitung eines Lehrers möglich, der über entsprechend mehr Erfahrung verfügt.

Vor diesem Hintergrund wird auch eine typische Geschichte die wir bereits in den unterschiedlichsten Varianten gehört haben verständlich. Es geht um den Schüler, der seinen Meister fragt wie lange es dauert, bis er selbst die Meisterschaft erreicht. Als die Antwort für ihn unbefriedigend ausfällt, versucht er mit dem Meister zu verhandeln indem er anbietet sich noch stärker anzustrengen. Aber statt dass ihm eine Verkürzung der Lehrzeit in Aussicht gestellt wird verlängert sie sich noch. Von unserem westlichen rationalen Standpunkt aus würden wir jetzt sportmedizinisch argumentieren. Übermäßiges hartes Training bringt keinen Fortschritt, weil dem Körper die Gelegenheit zur Regeneration fehlt. Es kommt zum Phänomen des sog Übertrainings. Fortschritte bleiben aus, die Leistungsfähigkeit geht sogar zurück und die Verletzungs- und Infektanfälligkeit steigt. So gut – so logisch. Wir wissen aber jetzt dass der Schüler ein Übermaß an Waza angeboten hat. Dies führt zu einer Vernachlässigung der anderen Elemente Shin und Ki. Für wahre Meisterschaft ist aber die Balance zwischen allen Elementen des Geiko Voraussetzung.

Kommentar von Klaus Möwius zu Shisei und Geiko
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Vorweg möchte ich herausstellen, dass Claudia und Hubertus einen guten Versuch starten, um obige Begriffe für "Westmenschen" zu erklären. Ich glaube, sie beleuchten das Thema gut, indem sie den asiatischen Begriffen die europäischen Formeln zu ordnen.
Jetzt meine Erklärung zum Thema. Weniger zum Objektiven, sondern mehr zum Subjektiven. Vorweg möchte ich sagen, dass ich von der Haltung und auch vom Üben (Shisei und Geiko) der asiatischen Freunde nicht enttäuscht, aber doch verwundert war. Ganz locker waren meine Freunde, im Dojo als auch in der Nachfolgezeit. Ernsthaft gingen diese, Japaner und Koreaner, an die Übungen mit viel Fleiß und Ausdauer heran. Aber überzogene Etikette in unserem Sinne kennen sie nicht. So wird in Japan eine Kata so gelaufen, wie es die Haltung (Shisei) des Einzelnen erlaubt. Statur, Gewicht und persönliche Tagesform spielen die Haltungsrolle. Die Körpersprache ist natürlich. Das Geiko hat einen persönlichen, friedlich in sich ruhenden Charakter. Ist das Geiko zu Ende, folgt eine Zeit der zufriedenen Freude. In der Regel geht diese einher mit guten Essen und Trinken. So habe ich in Japan an den bekannten Trainingsstätten, wie "Tenri und Tokai" erlebt, dass während der "zufriedenen Freude" nach dem Training den Asiaten ihr Berufsleben sehr wichtig ist. Es wird viel diskutiert ! Es wird meisten sehr spät und fröhlich, um dann am anderen Tag mit der gleichen persönlichen Ki, der Shisei und dem Geiko weiter zu machen, um Shizentai, die Stellung zu halten.

In diesem Sinne Euer Klaus Möwius
Marl, 09. März 2006

Klaus Möwius ist Präsident des KJJV

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